Die Kanzel der Kaufmannskirche
Eine gemeinsame Arbeit Hans Friedemanns d. Ä. und d. J. ist die 1598 errichtete Kanzel. Sie befand sich damals auf der gegenüber liegenden Südseite des Triumphbogens, so dass die Kanzeltreppe unter der Empore durch die Gemeinde gesehen werden konnte. Erst bei Restaurierungsarbeiten im 19. Jh. wurde die Kanzel an ihre heutige Position verbracht.
Sie ist eine bildliche Darstellung der evangelischen Lehre. Am Kanzelfuß befinden sich Adam und Eva als Vertreter der gesamten Menschheit, darüber Abraham, der sie segnet gem. 1. Mose 12, 3. Der Segen geht weiter über die über Abraham dargestellten Erzväter Isaak und Jakob auf den Bauern Isai (Jesse). Er war der Vater Davids (1. Samuel 16), von dem alle Könige von Juda und Israel abstammen. David ist unter dem Kanzelkorb als Psalmensänger mit der Harfe dargestellt. Daneben sieht man einen Teil seiner Nachkommen, zu denen auch Jesus gehört, der mit seiner Mutter Maria abgebildet ist. In der Nische darüber steht Jesus als Schmerzensmann, der gelitten hat und gestorben ist für die Menschheit. Diese Botschaft zu verkündigen ist die Aufgabe der Kirche. Zu diesem Zweck gibt es die Kanzel. Die Propheten des Alten Testaments haben Gottes Rettungswerk vorher angekündigt, ebenso wie Johannes der Täufer. Ein Prophet und Johannes der Täufer sind deshalb ebenfalls am Kanzelkorb zu sehen. Menschen, die glauben, handeln in der Freiheit der Liebe, die durch die Caritasfigur ganz links vorn dargestellt wird. Die Verkündigung begann mit der Auferweckung Jesu. Sie erfolgte zuerst durch die Jünger Jesu, von denen elf auf dem Schalldeckel der Kanzel dargestellt sind. Der zwölfte, der Verräter Judas, fehlt. An seiner Stelle befindet sich der nachgewählte Matthias. Zu den ersten Verkündigern gehören auch die vier Evangelisten, die auf dem Schalldeckel zu sehen sind. Ganz oben befinden sich noch die vier großen Lehrer der Kirche Ambrosius, Augustinus, Hieronymus und Gregor der Große. An der Unterseite des Schalldeckels sieht man die Darstellung der Dreieinigkeit Gottes. Zu den alten Bekenntnissen der Kirche, die die Reformation aufgenommen hat, gehört das der Wesenseinheit von Gott Vater, Sohn (in ihm sehen wir den Vater) und Heiligem Geist (er schenkt Gotteserkenntnis und Glauben, durch ihn geht die Verkündigung weiter). Den Schalldeckel in Glockenform hat der Glockengießer Melchior Möringk anfertigen lassen.
Die Wange der Kanzeltreppe zeigt das allen Kirchen gemeinsame Glaubensbekenntnis. Auf der untersten Tafel sieht man den ersten Glaubensartikel (von der Schöpfung), auf der nächsten den zweiten (von der Erlösung), auf den weiteren den dritten (von der Heiligung). Hier geht es um das Wirken des Heiligen Geistes, um die Kirche und das Endgericht. Die Kirche ist eine Wirkung des Heiligen Geistes (3. Tafel). Sie ist überall da, wo das Evangelium „rein“, d. h. ohne Zusätze, verkündet wird (4. Tafel) und die Sakramente (Taufe und Abendmahl) so gefeiert werden, wie es im Neuen Testament steht. Die 5. Tafel zeigt die Abendmahlsfeier unter beiderlei Gestalt, d. h. mit Brot und Kelch für alle. Schließlich findet man am Ende (6. Tafel) jenes Gericht, vor dem sich die Menschen endgültig zu verantworten haben.
Die lateinischen Worte auf der Kanzeltür geben das Wort Jesu aus dem Johannes-Evangelium (Joh. 10, 7) wieder: „Ich bin die Tür zu den Schafen“. Die Tür symbolisiert Christus. Nur durch ihn, also mit seiner Botschaft, darf der Prediger zur Gemeinde kommen. Alle Anderen sind Diebe und Räuber. Das illustrieren die beiden Bildtafeln in der Tür nach Joh. 10, 8.